Nach der Diagnose

Im Folgenden beziehen wir uns auf Spätdiagnostizierte, also Autisten, deren Diagnose nach dem 16. Lebensjahr erfolgte


Ich habe meine Diagnose erhalten – was nun?

Für viele spätdiagnostizierte Autisten kommt die Diagnose überraschend:

Manche wussten nicht, dass überhaupt etwas anders ist, und waren vielleicht wegen Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Depressionen in Behandlung, als sie die Diagnose Autismus bekamen.

Andere waren viele Jahre auf der Suche nach einer Antwort, haben sich vielleicht selbst informiert, sind die Diagnostik gezielt angegangen und haben nun endlich erfahren, dass sie Autist sind.

Bei einer Diagnose im Kindesalter können die individuellen Bedürfnisse frühzeitig erkannt und berücksichtigt werden; als Erwachsener hat man jedoch bereits eine lange Zeit ohne diese Rücksichtnahme gelebt, sei es seitens des Umfelds als auch von sich selbst.

Gerade die Anpassung an das “Normalsein” erfordert viel Energie, und was für neurotypische Menschen ohne Autismus spielend leicht aussieht, kann für Autisten ein täglicher Kampf sein.

Die Diagnose bringt also zunächst einmal Klarheit und Gewissheit.

Doch ist das bereits das Ende dieser langen Reise?


Wird sich dadurch mein Leben ändern?

Zunächst mal – nicht zwingend. Autismus gilt gemäß Sozialgesetzbuch als “seelische Behinderung”. Das mag zuerst befremdlich, unpassend, gar negativ klingen, bedeutet aber letztlich nur, dass die Gesetzgebung uns berücksichtigt. Wie passend der Begriff ist, sei dahingestellt.

Manche Autisten haben starke Einschränkungen im Alltag, andere führen ein so angepasstes Leben dass der Autismus kaum auffällt. Die Autismus-Spektrum-Störung äußert sich bei jedem anders.

Daher kann es gut sein, dass sich gar nichts ändern muss, sondern man einfach eine Antwort auf eine lang gestellte Frage hat.

Die Klassifizierung als Behinderung hat im Falle von vorliegenden Einschränkungen den Vorteil, dass Gesetze zum Schutz und zur Eingliederung von Autisten gelten.

Zum Beispiel:

  • Sozialgesetzbuch SGB IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
  • Behindertengleichstellungsgesetzt BGG für den öffentlichen Bereich (z.B. die Barrierefreiheit)
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz AGG im Zivilrecht
  • UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
  • Sechstes Kapitel der Sozialhilfe SBG XII über Rechtsansprüche zur Eingliederungshilfe
  • Bundesteilhabegesetz
  • weitere Gesetze, die die kommenden Jahre in Kraft treten

Diese Gesetze besagen zum Beispiel Folgendes:

  • Autisten dürfen normale Schulen besuchen
  • Zugang zu Berufsbildungswerken als Alternative zu klassischen dualen Ausbildungen
  • Kostenübernahme von Therapien, ggf. auch Diagnostikkosten
  • Nachteilsausgleiche z.B. bei Prüfungen, spezielle Parkplätze, Befreiung der Kfz-Steuer etc.
  • Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis bei vorliegen entsprechender Einschränkungen
  • Eingliederungsmaßnahmen

Weitere Informationen finden sich hier: https://www.autismus.de/recht-und-gesellschaft/rechtsratgeber-merkblaetter.html

Das bedeutet also, dass Menschen mit Autismus grundsätzlich genau wie alle anderen auch alle Schulformen besuchen, Ausbildungen absolvieren und Berufe ausüben dürfen. Darüber hinaus erhält man spezielle Unterstützungen je nach Bedarf, und hat Anspruch auf einen Therapieplatz.


Welche Unterstützung brauche ich?

Die eigentliche Frage ist, wie man herausfindet, was man braucht. Autismus geht sehr häufig mit Erkrankungen wie z.B. Depressionen, Zwangsstörungen usw. einher. Es gilt also zunächst herauszufinden, was genau wovon kommt. Bereits während der Diagnosestellung wird eine Differentialdiagnostik vorgenommen; das heißt, es wird bei allem im Detail geschaut ob dies nun vom Autismus oder von etwas anderem kommt.

Viele Krankheiten sind Autismus in ihrer Symptomatik ähnlich, was die Diagnose erschwert. Aus diesem Grund wird abgegrenzt, sodass man hinterher einschätzen kann was welche Ursache hat. Sollte der Diagnostiker dies nicht getan haben, wäre dies also der nächste Schritt. Hierbei ist es von Vorteil, Therapeuten und Psychiater zu suchen, die sich mit Autismus auskennen.

Im nächsten Schritt kann man dann herausfinden, was man genau benötigt.
Mögliche Wege wären:

  • Kontakt zu anderen Autisten, z.B. in Gruppen (online oder persönlich)
  • Offene Gespräche mit neurotypischen Vertrauten, also Menschen ohne Autismus
  • Beratungsstellen

Der Verein Aspies e.V. aus Berlin zum Beispiel bietet umfangreiche Informationen und Listen von regionalen Angeboten: Diagnostikstellen, Freizeitangebote, Beratungen u.v.m.:
https://www.aspies.de/adressen.php
Kontakt für Krisenfälle:
https://www.aspies.de/hilfe.php

Je nachdem, welche Unterstützung benötigt wird, sind andere Stellen zuständig. Hierfür empfiehlt sich die Erstellung einer Checkliste, was man wo beantragen kann, sodass man nach und nach abarbeiten kann was man erledigt hat. Für Arbeitgeber haben wir zudem einen Handzettel, der weitere Informationen bietet.