Diagnostik und Selbsttests
Auch online verfügbare Tests geben keinen alleinigen Aufschluss über eine Diagnose, sondern sind lediglich ein Hilfsmittel zur ersten eigenen Orientierung.
Die Diagnosestellung bei Erwachsenen ist kompliziert, da hierbei nicht nur der aktuelle Zustand maßgebend ist, sondern auch die Symptome im Kindesalter. Aus diesem Grund werden hierbei auch häufig Fragen zur Kindheit gestellt.

Der Weg zur Diagnose
Die folgenden Punkte bieten einen ersten Überblick, wie man die Diagnostik angehen kann:
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Wo kann man sich diagnostizieren lassen?
Da Autismus kein Grundbestandteil von Psychologie- und Medizinstudium ist, sollte man gezielt nach Fachleuten suchen, die sich bezüglich Autismus fortgebildet haben.
Viele Kliniken haben Autismusambulanzen, aber auch niedergelassende Fachleute bietet Autismussprechstunden an.
Hier hilft unsere interaktive Karte von Diagnostellen weiter! -
Wann beginnt die Diagnostik?
Manche Stellen benötigen eine Überweisung, zum Beispiel von einem Hausarzt. Die meisten Stellen können über die Krankenkasse abgerechnet werden, manchmal fallen jedoch Kosten an, die mit einer Kostenübernahme abgedeckt werden - hier sollte zunächst geklärt werden, wer die Kosten trägt.
Die Wartezeit bis zum ersten Termin beträgt zwischen wenigen Wochen und bis zu zwei Jahren. Als Selbstzahler erhält man aber oft schneller einen Termin. -
Was muss ich vorbereiten? In den meisten Fällen werden per Post oder per Email Fragebögen zugeschickt, die vorab beantwortet werden sollen. Das sind teilweise auch die, die ihr auf dieser Seite finden werdet - oft auch in abgewandelter Form. Nehmt euch Zeit und beantwortet sie ganz in Ruhe, es gibt keine falschen Antworten!
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Wie läuft das Gespräch ab?
Es werden Fragen zur aktuellen Situation und zur Kindheit gestellt, da Autismus bereits von Geburt an vorliegt. Manchmal werden auch Eltern oder andere Angehörige befragt. Sollte kein Kontakt mehr zu den Eltern bestehen, sollte das vorher erwähnt werden - dann werden zum Beispiel Partner oder langjährige Freunde befragt.
Die Fragebögen werden ausgewertet und besprochen, und generell das Verhalten beobachtet. Eventuell werden auch Tests gemacht, zum Beispiel zur Konzentration oder auch Intelligenztests.
Meistens werden zwei bis fünf Termine vereinbart. -
Was passiert danach?
Abschließend wird ein Diagnosebericht erstellt, das kann nochmal einige Wochen dauern - fragt am besten direkt im letzten Termin nach, mit welcher Wartezeit zu rechnen ist.
Im Bericht wird detailliert aufgeführt welche Symptome auf Autismus hindeuten, falls andere Diagnosen gestellt wurden, werden auch sie erwähnt (zum Beispiel ADHS).
Neben dem Diagnoseschlüssel enthält der Bericht für gewöhnlich auch eine Empfehlung für den Unterstützungsbedarf.
Nach der Diagnostik könnt ihr Unterstützung beantragen, sofern benötigt. Möglich sind zum Beispiel:
- Therapien für Autismus und Begleiterkrankungen
- Nachteilsausgleiche in Schule und Beruf
- Eingliederungshilfen
- Schwerbehindertenausweis
- Grundsicherung zur fianziellen Unterstützung

Bestandteile der Diagnostik
Die Diagnose erfolgt anhand von mehreren Bestandteilen:
- Körperliche Untersuchungen, um andere Ursachen auszuschließen (z.B. EEG, MRT)
- Fragebögen zur Selbsteinschätzung
- Fragebögen zur Fremdeinschätzung
- Gespräch mit dem Betroffenen
- ggf. Gespräch mit Angehörigen
- ggf. der Durchführung von Intelligenztests
- frühere Berichte (z.B. Arzt- oder Therapieberichte sowie Grundschulzeugnisse, sofern vorhanden)
- Beobachtung des Patienten in Bezug auf Verhalten, Mimik und Augenkontakt
Manche Diagnosestellen setzen eine Fremdanamnese voraus, das heißt, dass die Eltern oder nahestehende Verwandte befragt werden müssen, um eine Diagnose stellen zu können.
Wenn eine Befragung der Eltern nicht möglich ist, sollte es im Vorfeld angegeben werden. Manche Diagnosestellen vergeben in solchen Fällen nämlich maximal eine Verdachtsdiagnose. Manche Stellen befragen aber auch stattdessen im späteren Verlauf der Diagnostik langjährige Freunde oder Ehepartner.
Folgendes sollte bei einer Terminanfrage vorab geklärt werden:
- Ist eine Überweisung von einem Facharzt nötig?
- Kann die Leistung über die Krankenkasse abgerechnet werden?
- Wenn es nur als Selbstzahler möglich ist, welche Kosten sind zu erwarten?
- Ist eine Fremdanamnese notwendig? Wer könnte alternativ befragt werden (Freunde, Ehepartner, etc.)?
- Bei Frauen: Ist die Diagnosestelle auf Autismus bei Frauen spezialisiert oder besteht Erfahrung?

Fragebögen
Derzeit gibt es folgende Fragebögen und Tests, anhand derer man sich einen ersten Eindruck machen kann, ob man betroffen sein könnte.
- Adult Asperger Assessment (AAA)
- Autism Spectrum Quotient (AQ) (Adult)
- Empathy Quotient (EQ) (Adult)
- Eyes Test (Adult)
- Faces Test
- Friendship and Relationship Quotient (FQ)
- Empathy-Systemizing (E-S) ‘Brain Types’ Calculator
- Intuitive Physics Test
- Picture Sequencing Test
- Sensory Perception Quotient
- Social Stories Questionnaire (SSQ)
- Systemizing Quotient (SQ) (Adult)
Die Originaldokumente sind auch auf der folgenden Website in mehreren Sprachen zu finden: https://www.autismresearchcentre.com/tests/
Autism Spectrum Quotient (AQ) (Adult)
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Anna Czypionka und Anika Lloyd-Smith
Fachbereich Linguistik, Universität Konstanz
Dieser Fragebogen wird am häufigsten verwendet. Hiermit werden Kinder, Jgendliche oder Erwachsene mit durchschnittlichem IQ getestet um herauszufinden, ob sie autistisch sein könnten.
Ein Ergebnis von 32 oder mehr weist mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass die befragte Person betroffen sein könnte.
Empathy Quotient (EQ) (Adult)
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Jörn de Haen
AUTISMO Praxis Autismus Therapie, Bochum
Mit diesem Fragebogen werden die kognitive und affektive Empathie abgefragt. Es soll damit getestet werden, ob angemessene Emotionen als Reaktion gezeigt werden können und ob man Emotionen anderer Menschen versteht.
Dies bezieht sich auf die “Theory of Mind”, gemäß derer Autisten sich schlechter in andere hineinversetzen können. Gemeinsam mit dem SQ gibt der EQ Aufschluss über den Gehirntyp des Befragten.
Eyes Test
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Werner Kelnhofer
In diesem Test werden Ausschnitte von Gesichtern gezeigt, auf denen jeweils nur die Augen zu sehen sind. Anhand dessen soll eine von jeweils vier vorgegebenen Emotionen bzw. Gefühllagen ausgewählt werden, die die dargestellte Person zeigt.
Faux Pas Test
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Anika Ströbele
Dieser Test beschreibt verschiedene Situationen mit Interaktionen von Charakteren. Es wird gefragt, ob oder wie ein Faux Pas entstanden ist. (Ein Faux Pas ist eine peinliche Situation.)
Friendship and Relationship Quotient (FQ)
Nur auf Englisch verfügbar
PDF-Download von autismresearchcentre.com
S. Baron-Cohen and S. Wheelwright
Autisten führen nicht selten andersartige, aber genauso tiefgehende Freundschaften wie neurotypische Menschen.
Hierbei wird zum Beispiel abgefragt, welcher Wert zwischenmenschlichen Beziehungen beigemessen wird und wie man Freundschaften führt.
Sensory Perception Quotient
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Carola Bloch
LMU Klinikum, Bereich Neuronale Entwicklungsstörungen
Ungefähr 90% aller Autisten nehmen sensorische Empfindungen anders wahr als neurotypische Menschen.
In diesem Fragebogen werden Fragen zu den Sinneswahrnehmungen gestellt.
Systemizing Quotient (SQ) (Adult)
PDF-Download von autismresearchcentre.com
Jörn de Haen
AUTISMO Praxis Autismus Therapie, Bochum
In diesem Fragebogen wird auf die Tendenz eingegangen, Dinge zu analysieren und zu sortieren.
Dies ist ein Interesse das häufig bei Männern stärker ist als bei Frauen; der Test unterstützt zudem mehrere Theorien über Autismus.

Kosten der Diagnostik für Selbstzahler
Sollte ein Termin zur Diagnose nur für Selbstzahler möglich sein, müssen die Kosten selbst getragen werden.
Diese belaufen sich zumeist auf ca. 120-600 €, aber hierbei handelt es sich nur um aktuelle Durchschnitts- bzw. Erfahrungswerte. Manche Stellen bieten eine Pauschale an, andere eine Stundensatz pro Termin.
Es kann jedoch auch in manchen Fällen eine Kostenübernahme erfolgen:
- über den Landeswohlfahrtsverband
- über die Agentur für Arbeit
- oder über das Sozialamt
Leider gibt es hierzu keinen festen Erfolgsweg, sondern es wird hier oftmals nach Einzelfall entschieden.
Relevant ist dabei, was genau mit der Diagnose bezweckt werden soll, und wie die aktuelle Situation ist.
Wenn bereits eine Behinderung vorliegt, kommen die “Leistungen zur Teilhabe” zum Tragen. Hiermit sind meist zum Beispiel Rehas oder therapeutische Maßnahmen gemeint. Die Diagnostik kann in diesem Zusammenhang aber auch als “Erstberatung” und somit als erster Schritt dazu zählen, was dann eine Kostenübernahme darüber rechtfertigen würde.
Manche Diagnostikstellen helfen auch bei der Erstellung des Antrags auf Kostenübernahme. Es lohnt sich ein Blick auf deren Websites, denn manchmal wird das Angebot zur Unterstützung dabei auch dort erwähnt.
1. Unterstützung der Arbeitsfähigkeit
Zur (Wieder)Herstellung oder dem Erhalt der Erwerbsfähigkeit oder auch zur Abwendung eines drohenden Verlustes des Arbeitsplatzen kann ein Antrag auf Kostenübernahme durch die Agentur für Arbeit gestellt werden.
Siehe auch: „Teilhabe am Arbeitsleben“ (§ 127 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 49 Abs. 6 SGB IX)
2. Vorliegen von Behinderungen
Liegt bereits eine Behinderung vor, gelten eventuell Einkommens- und Vermögensfreibeträge. Hierbei erfolgt dann eine Kostenübernahme des Landeswohlfahrtsverbandes.
Siehe auch: Eingliederungsmaßnahme zur „sozialen Teilhabe“ Teilhabe (§ 113 SGB IX)
3. Unterstützung bei einer Ausbildung
Bei jungen Auszubildenden zählt die Diagnostik ggf. als Hilfe zur schulischen Ausbildung oder als Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit; hierbei erfolgt dann keine Kostenbeteiligung.
Siehe auch: Leistungen nach § 112 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IX